Hin zum Nordkap und wieder zurück – Die Geschichte vom kleinen Dompfaff – Teil 3

Teil 3 – Von einem Globus auf einer Felsküste und viel zu viel Zeit zum nachdenken

Nachdem der fünfte Tag, der neben der Ankunft auf den Lofoten, den (aus meiner Sicht) grandiosen Tiefpunkt unserer Reise markierte, startete der sechste Tag um einiges entspannter. Wenn die Sonne schon 24 Stunden am Tag scheint, sollte man diesen Umstand auch ausnutzen. Also haben wir am Vorabend beschlossen den Tag richtig früh zu starten, um 3 Uhr morgens genauer gesagt. Somit haben wir ganz geschickt gleich drei Vorteile gehabt: Wie konnten eine warme Dusche genießen, in Ruhe und ohne von der Hektik anderer Teams umgeben zu sein unsere sieben Sachen zusammenräumen und wir waren (wahrscheinlich) das erste Team, das an diesem Tag am Ort der Tagesaufgabe eintraf. Auf den Lofoten gibt es einen kleinen Fischerort, der idyllisch auf kleinen Inselgruppen gelegen, ein Fußballfeld beherbergt. Die Aufgabe was es ein Teammitglied in dem Moment zu fotografieren, als es einen Ball hält, der in die obere Ecke des Tores geschossen wird. Es stand schnell fest, dass ich definitiv nicht im Tor stehen werde. Und so positionierte sich Claus in eben diesem und ich durfte mich im Multitasking versuchen. Ball kicken, Claus teure und enorm schwere Kamera bedienen (was hatte ich eine Angst das Ding aus Versehen fallen zu lassen, zumal Claus immer wieder betonte, wie viel diese Kamera Wert ist, woran ich auch niemals einen Zweifel hegen würde), um den perfekten Moment festzuhalten und natürlich dabei noch irgendwie versuchen den Ball ins Tor und in die Ecke zu manövrieren. Es waren einige Versuche nötig, bis Claus mit dem Ergebnis zufrieden war, aber hey, das Thema Frühsport hatte er damit auf jeden Fall mit Bravour gemeistert. Danach hieß es ab ins Auto und weiter Richtung Nordkap.

Die Lofoten zu verlassen war nicht weniger beeindruckend, als dort anzukommen. Das Wetter zeigte sich von seiner sonnigen Seite und hinter jeder Ecke gab es neue, atemberaubende Ausblicke. Der Umstand, dass wir so früh aufgebrochen waren, bewies sich auch jetzt als gute Entscheidung, denn so konnten wir uns die Zeit nehmen an den schönsten Spots anzuhalten, die Kamera zu zücken und den Ausblick zu genießen. Dank dieser vielen Unterbrechungen fühlte sich dieser Tag sehr schwerelos an, obwohl wir wieder einiges an Strecke hinter uns brachten. Wir verließen die Lofoten und waren wieder auf dem norwegischen Festland, wo wir uns eine Strecke entlang von bezaubernden Fjorden ausgesucht hatten. Da die hoch stehende Sonne uns nach wie vor davon zu überzeugen versuchte, dass Tageszeiten irrelevant und das eigene Zeitgefühl nur was für Anfänger ist, haben wir auch an diesem Tag unser Streckenziel wieder überschritten, was aber vor allem daran lag, dass wir uns auf der Karte einen vielversprechenden Platz für die Nacht, direkt an einem Fjord rausgesucht hatten. Und unsere Erwartungen wurden noch übertroffen, denn der Platz direkt am Wasser gelegen, sollte sich als der beste Campingspot unserer gesamten Fahrt herausstellen.

Ich glaube so entspannt habe ich in sonst kaum einer Nacht geschlafen und die Aussicht, als ich am nächsten Morgen mein Zelt öffnete war einfach unbeschreiblich. Ich ließ Claus schlafen, er hatte ein paar Stunden mehr Schlaf dringend nötig, und kümmerte mich um den Frühstückskaffee. Heutiges Tagesziel: Ankunft am Nordkap! Der nördlichste Punkt der Rallye. Die Strecke dorthin ist schwer zu beschreiben. Wenn man aus den sattgrünen Landstichen der Lofoten und der Fjorde in den Norden fährt, verlässt einen die Vegetation, die Straße schlängelt sich einsam und unendlich durch eine karge Landschaft, die nur hier und da von Sträuchern und unglaublich vielen Rentieren geschmückt wird (jetzt mal im Ernst, wo kommen all diese Rentiere her?). Dann geht es irgendwann durch drei Tunnel, die immer länger und verdammt dunkel werden. Der letzte Tunnel vor dem Nordkap ist 6875 Meter lang und liegt an der tiefsten Stelle 212 Meter unter dem Meeresspiegel. Die Küstenstraße die dort hin führt liegt direkt am Polarmeer, auf dessen Wogen die Sonne glitzert, man möchte an den Klippen verweilen, wäre da nicht der Ehrgeiz das Hauptziel der Reise noch diesen Nachmittag zu erreichen. Um punkt 15 Uhr standen wir auf dem Parkplatz des Besucherzentrums. Etappe geschafft und die Sonne scheint! Wir sind am Nordkap, wir stehen vor dem Globus und wir haben einen strahlend blauen Himmel. Wenn da nur dieser Wind nicht wäre… ich hatte den Böen nicht wirklich viel entgegenzusetzen. Egal wie, es war streckenweise ein ziemlicher Kampf. Aber egal, wir sind am Nordkap, und wir sind nicht zu Spaß hier. Wir mussten ein paar Fotos für unsere Sponsoren machen, und ich frage mich immer noch, wie Claus das so tapfer durchgezogen hat, ohne, dass ihm die Finger erfroren sind? Zur Belohnung gönnten wir uns einen Kaffee und eine ausgiebige Shoppingtour durch den Andenkenshop. Dann noch eben die Postkarten für Supporter und Familie geschrieben, bevor wir unser Nachlager anstrebten.

Ich bin noch immer froh, dass wir uns für diese Nacht gegen das campen und für eine winzige Hütte entschieden haben. Denn am nächsten Tag ging es wieder früh raus, wir hatten zwei Stunden Zeit, um unser Team und das Auto vor dem Globus am Kap zu fotografieren. Und so stellten wir uns gegen kurz vor 5 Uhr morgens ganz artig, mit Hunderten anderer Teams, in einer Schlange an. Irgendwann angekommen lief alles ganz schnell, Auto positionieren, die nachfolgenden Teams gefragt, ob sie ein Foto machen, Foto machen, rein ins Auto, weiter geht es. Aufgabe abgeschlossen. Nordkap, es war schön, aber wir müssen jetzt weiter… nach Finnland…

#Finnland (Oder wie Claus es nennen würde: Finnland (Symbolbild))

Was soll ich über Finnland sagen? Es ist wirklich schwer die richtigen Worte zu finden… Kaum, dass man die Grenze in dieses Land überschritten und das schönste Land der Welt (Norwegen <3 ) hinter sich gelassen hat, wird es unendlich eintönig. Eine nahezu schnurgerade, lange Straße, mit einem gelben Strich in der Mitte, zieht sich durch Wälder. Bäume, überall nur Bäume. Bäume und Straße. Tankstellen sind auf einmal rar gesät und bieten eine willkommene Abwechslung. Lappland konnte mich zumindest noch damit überzeugen, dass es hier im Winter wirklich sehr schön sein muss. Das lässt sich aus den Postkartenmotiven schließen, die wir in den Souveniershops gesehen haben. Hier ist die legendäre Northern-Lights-Route angesiedelt. Man möchte sich zwar gerne vorstellen, wie schön es sein muss, wenn hier so viel Schnee liegt, dass die Fortbewegung per Schneemobil am Erfolgreichsten ist und die Nordlichter über den fernen Gipfeln leuchten, doch sieht man jetzt schon, dass hier zu dieser Zeit auch die Touristenbusse in Tonnen ausgeladen werden, was die malerische Idylle wahrscheinlich schnell zunichte macht. Außerdem präsentierte sich Finnland direkt in der ersten Nacht alles andere, als sonnig. Er regnete. Meine Stimmung sank in den Keller. Zumindest waren wir nicht alleine auf dem Campingplatz, um unseren Viking-Timber-Block gemeinsam mit anderen Teams in ein Lagerfeuer zu verwandeln. Aber dank kalter Duschen auf dem Campingplatz war mein Abend gelaufen, weshalb ich wohl das größte Highlight der Reise, Finnen beim Karaoke singen, verpasst habe (für mehr Infos dazu müsst ihr Claus befragen). Tja, man kann nicht alles haben.

Der kommende Tag zeigte sich wenigstens schon etwas versönlicher, wäre da nur nicht die Aufgabe mit dem Weihnachtsdorf gewesen… Weihnachten, im Juni, Jungle Bells, Weihnachtsmannbesuch, Elfen, in Juni… zugegeben, ich bin ein Weihnachtsmuffel, aber um das zu ertragen hätte ich wahrscheinlich 4-5 Eipunsch benötigt. Aber gut, Aufgabe ist Aufgabe und weiter geht es, durch die unendlich gleichförmige, triste Monotonie der finnischen Wälder. Wir setzten auf regelmäßige Fahrerwechsel, denn bei so wenig Abwechslung drohte der Sekundenschlaf. Ich ertappte mich oft dabei, wie ich mir die Frage stellte, wie es wohl den Teams geht, die den Weg über Russland eingeschlagen hatten. Über die WhatsApp Gruppen hörte man teilweise absurde Geschichten. Vielleicht war es doch ganz gut, dass wir uns für die Langeweile entschieden haben? Ich denke im Nachhinein würde ich sagen, ja, auch wenn mich einige Städte in Russland dann doch mal reizen würden. Aber wozu gibt es denn die berühmte Bucket-Liste.

Die finnische Abwechslungslosigkeit barg vor allem für mich einen enormen negativ Faktor. Ich hatte viel zu viel Zeit zum nachdenken. Da ich generell dazu tendiere mich viel zu leicht in Gedanken zu verlieren, hatte mein Gehirn hier die perfekten Voraussetzungen. Eintönige Straßen und Landschaften, das Auto ist ein Automatik und lenken musste man auch nicht viel und da ich mit einigen, für mich persönlich ungeklärten, Fragen im Kopf zu diesem Abenteuer aufgebrochen war, war ich recht schnell in die Nachdenkfalle geraten. Ich würde allen, die jemals vor haben mit dem Auto durch Finnland zu reisen, raten, sich vorher von allem ungeklärten Ballast zu befreien. Zeit zum nachdenken zu haben ist zwar gut. Zu viel Zeit aber, kann wohl, denke ich, selbst den reflektiertesten Menschen dazu bringen sich in den Gedanken zu verlaufen. Umso erfreuter war ich über unser Campingziel für diese Nacht, auf einer Insel, in einem Vogelschutzgebiet, auf das man mit einer kostenfreien Fähre übersetzen konnte (habe ich schon erwähnt, dass ich es liebe mit Schiffen zu fahren?). Und noch erfreuter war ich darüber, dass wir auch an diesem Abend wieder mit einigen anderen Teams zusammen campieren sollten. Dank Claus saßen wir bald, umschwirrt von Millionen-Milliarden Mücken, an einem wohligen Lagerfeuer, über dem frisch gefangener Fisch und Hot Dogs gegart wurden. Dazu gab es das eine oder andere Bier und einen angeregten Erfahrungsaustausch mit den anderen Teams. Und mit diesem geselligen Abend beschloss wohl auch Finnland, dass es sich endgültig von seiner schönen Seite zeigen müsste und so begrüßten uns angenehm warme Sonnenstrahlen und zwitschernde Vögel am nächsten Morgen. Ach, Finnland, dich gibt es ja auch in schön. Ich würde zu gerne sagen, dass wir dann doch noch Freunde geworden sind, aber unsere Freundschaft begann leider sehr holprig, und auch, wenn ich dir noch eine zweite, ja sogar eine dritte Chance gegeben habe… es tut mir wirklich Leid, aber ich konnte zu dir einfach keine Beziehung aufbauen, auch, wenn die kommende Strecke uns immerhin etwas versöhnlicher einander gegenüber einstellte.

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